Forschende der Medizin aus Kiel und Tokio wollen enger zusammenarbeiten

Schleswig-Holsteinische Delegationsreise nach Japan intensiviert die bestehende Kooperation der Kieler Universität mit dem Institute of Science Tokyo und bemüht sich um verstärkten Austausch beider Institutionen.

Seit vielen Jahren stehen Mitglieder des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) in engem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus Tokio. So haben Wissenschaftler aus Tokio die Kieler Forschenden dabei unterstützt innovative Darm-Organoide im Labor als Modellsystem zur Erforschung chronischer Darmentzündungen zu etablieren. Seit 2023 ist dieser Austausch auch in Form eines Kooperationsvertrags zwischen der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Tokyo Medical and Dental University (TMDU) geregelt. Am vergangenen Donnerstag, den 10.10.2024, haben Vertreterinnen und Vertreter beider Universitäten in Beisein von Ministerpräsident Daniel Günther eine Erweiterung dieser Vereinbarung unterzeichnet. 

Kern ist die Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Fokus auf die Förderung sogenannter Clincian Scientists. Das sind Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung, die neben ihrer Facharztausbildung aktiv forschen und im Rahmen eines strukturierten Programms zeitweise vom Dienst in der Patientenversorgung freigestellt werden, um Freiräume für ihre Forschungsvorhaben zu schaffen. Bereits vor einigen Jahren haben der Exzellenzcluster PMI und die Medizinische Fakultät der CAU solche Clinician-Scientist-Förderprogramme ins Leben gerufen. Das Institute of Science Tokyo, das aus einer Fusion der Tokyo Medical and Dental University sowie dem Tokyo Institute of Technology hervorgegangen ist, möchte ebenfalls ein solches Programm etablieren und hier von den Erfahrungen und der Expertise des Exzellenzclusters PMI und der CAU profitieren. Ein konkretes Ziel besteht in einem zukünftigen Austausch von Clinician Scientists zwischen Kiel und Tokio. 

„Seit mehr als 15 Jahren stehen wir in engem wissenschaftlichen Kontakt insbesondere mit Professor Mamoru Watanabe von der TMDU in Tokio. Er ist mit dem Exzellenzcluster PMI – und seinen Vorgängern -  aufs Engste verbunden und hat unseren Cluster mitgeprägt“, sagt Clustersprecher Professor Stefan Schreiber. So gab es in den vergangenen Jahren einen breiten Austausch an Methoden und Expertise, besonders unterstützt durch Forschungsaufenthalte von Tokioer Nachwuchsforschenden in Kiel. Solche Aufenthalte sollen zukünftig verstärkt in beide Richtungen ermöglicht und gefördert werden. 

Ministerpräsident Daniel Günther begrüßte die Unterzeichnung des Memorandums, das die Zusammenarbeit zwischen den Medizinischen Fakultäten des Institute of Science Tokyo und der CAU weiter vertiefen soll: „Mit der CAU und dem Institute of Science Tokyo kooperieren zwei höchst ambitionierte Einrichtungen aus Deutschland und Japan. Als Land Schleswig-Holstein sind wir sehr stolz darauf und unterstützen wir diese Pläne, denn nur gemeinsam können wir den globalen Herausforderungen der Zukunft besser begegnen. Diese Partnerschaft und die noch engere Verbindung zwischen Forschung und Praxis ist ein großer Schritt, um die internationale Zusammenarbeit im Gesundheitswesen weiter zu stärken und gleichzeitig ein Symbol für die Freundschaft und die gemeinsamen Werte, die unsere beiden Länder verbinden.“

Von Kieler Seite haben der CAU-Vizepräsident für Forschung, wissenschaftliche Infrastruktur und Transfer der CAU, Professor Eckard Quandt, sowie der Dekan der Medizinischen Fakultät Professor Joachim Thiery, das Memorandum unterzeichnet. „Wir streben einen Austausch von Clinician Scientists an, bei dem die jungen Forschenden aus Kiel und Tokio jeweils am anderen Standort mehrere Monate Forschungs- und Klinikzeit verbringen und so wichtige wissenschaftliche Impulse erhalten. Davon profitieren alle Seiten gleichermaßen: Die Clinician Scientists persönlich, die Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein ebenso wie die aus Tokio“, betont Prof. Thiery. 

Professor Watanabe vom Institute of Science Tokyo, der die Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster maßgeblich vorangetrieben hat, gehört zu den Pionieren bei der Entwicklung sogenannter Darm-Organoide und der Forschung mit diesen Modellen. Organoide sind Miniatur-Versionen von Organen in der Petrischale. Bei dieser neuartigen Methode werden Stammzellen aus den jeweiligen Organen, in diesem Fall also aus Darmgewebe, zum Wachstum angeregt, so dass sie 3D-Zellkulturen bilden. Diese Organoide haben dabei viele Eigenschaften des Ursprungsorgans. Mitglieder des Exzellenzclusters PMI erforschen daran unter anderem chronische Darmentzündungen und beispielsweise die Wirksamkeit verschiedener Medikamente. Professor Watanabe und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren entscheidend daran beteiligt, eigene Organoid-Systeme in den Kieler Laboren am Institut für klinische Molekularbiologie (IKMB) der CAU und des UKSH zu etablieren und so die Forschung des Clusters in erheblichem Maße voranzutreiben. Aus der Kooperation sind mehrere gemeinsame Publikationen hervorgegangen. 2021 erhielt Prof. Watanabe außerdem die Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät der CAU. 

Das neue Abkommen mit dem Institute of Science Tokyo steht allen medizinische Disziplinen offen und soll die Kooperation mit Tokio in allen Profilbereichen der Medizinischen Fakultät in Kiel stärken, also neben der Entzündungsmedizin auch in der Onkologie, den Neurowissenschaften, der Biomaterialforschung und der digitalen Medizintechnik.

Mann spricht zu mehreren Menschen, die an einem Tisch sitzen
© Staatskanzlei SH

Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, sprach zu den Vertreterinnen und Vertreter des Institute of Science Tokyo und der CAU.

Mann spricht vor mehreren Menschen
© Staatskanzlei SH

Professor Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters PMI, berichtete über die Arbeit des Clusters.

Mann spricht zu mehreren Menschen
© Staatskanzlei SH

Professor Joachim Thiery, Dekan der Medizinischen Fakultät der CAU, spricht zu Vertretern des neuen Institute of Science Tokyo.

Vier Männer halten Dokumente hoch
© Staatskanzlei SH

v.l.: Prof. Tomohiro Morio, Geschäftsführender Vizepräsident für internationalen Austausch, Institute of Science Tokyo, Prof. Shuji Tohda, Dekan der Medizinischen Fakultät, Insitute of Science Tokyo, Prof. Eckard Quandt, CAU- Vizepräsident für Forschung, wissenschaftliche Infrastruktur und Transfer, Prof. Joachim Thiery, Dekan der Medizinischen Fakultät der CAU

Über den Exzellenzcluster PMI

Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 400 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum).

Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.

Pressekontakt:

Frederike Buhse
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster PMI

Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“
Wissenschaftliche Geschäftsstelle
Leitung: Dr. habil. Susanne Holstein
Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
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0431/880-4850
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